Der Aufbau bedarfsgerechter Krankenhausstrukturen in einem demokratisch und solidarisch organisierten Gesundheitssystem ist überfällig

21. September 2020

In der aktuellen Pandemie-Situation musste das Fallpauschalen-System (DRG-System) der Krankenhausfinanzierung faktisch außer Kraft gesetzt werden, um das Überleben der Kliniken zu gewährleisten. Dabei ist die vorausschauende Sicherstellung der öffentlichen Gesundheitsversorgung Teil der Daseinsvorsorge und damit eine nicht delegierbare staatliche Aufgabe.

Im Zeitalter der Finanzierung durch DRGs wurde die öffentliche Krankenhausplanung nahezu aufgegeben und durch das Primat betriebswirtschaftlicher Bilanzen und Konkurrenz bei Umsatzmaximierung ersetzt. Krankenhäuser werden nicht entsprechend einer öffentlich gesteuerten und demokratisch legitimierten Planung erhalten oder geschlossen, sondern sind in den letzten Jahren reihenweise durch Marktaustritt „vom Netz genommen“ oder privatisiert worden. So ist schon heute die flächendeckende Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Kinderkliniken und Geburtshilfe-Abteilungen nicht mehr ausreichend gewährleistet. Vorhaltekosten (beispielsweise für Katastrophen- oder Pandemiefälle) oder Vorratshaltung (beispielsweise für Schutzkleidung) werden im Fallpauschalensystem nicht finanziert. Die für Krankenhausinvestitionen zuständigen Bundesländer bringen nicht einmal die Hälfte der laut InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) notwendigen 7 Mrd. € pro Jahr auf.

„Verschwiegen wird dabei, dass diejenigen, die jetzt die hohen Behandlungskapazitäten loben, den Abbau von bereits 20% der Krankenhäuser seit 1990 und die Schließung zahlreicher Kliniken maßgeblich betrieben haben“, so PD Dr. Tobias Hofmann, Vorstandsmitglied des vdää. „Zudem wird übersehen, dass die alleinige Anzahl an Beatmungsplätzen oder Intensivkapazitäten noch keine adäquate Behandlung sichere, wenn ausgebildetes Pflegepersonal fehle“, so Dr. Hofmann weiter. Genau das Pflegepersonal wurde jedoch im Zuge der marktförmigen Umgestaltung des Gesundheitswesens und insbesondere durch die Einführung des DRG-Systems systematisch reduziert, so dass es heute an allen Ecken und Enden fehlt. Dr. Hofmann: „Schon vor der COVID-19-Pandemie mussten vielerorts Intensivbehandlungsplätze gesperrt werden, da es an qualifizierten Pflegekräften fehlte.“

In einem grundlegenden Positionspapier zur Zukunft der stationären Krankenversorgung hat der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte die Probleme skizziert und

folgende Grundprinzipien einer bedarfsgerechten und solidarischen und darüber hinaus demokratisch legitimierten Krankenhausstruktur entwickelt:

  1. Für Kliniken muss wieder ein Profitverbot gelten, wie es bis 1984 noch Gesetz war: die Bedarfe der Bevölkerung müssen in den Mittelpunkt gestellt werden.
  2. In der gesundheitlichen Daseinsvorsorge muss das Kostendeckungsprinzip gelten: das Fallpauschalensystem muss abgeschafft werden.
  3. Systematische Bedarfsermittlung und Planung müssen Grundlage der Gesundheitspolitik sein: hierzu ist ein evidenzbasierter und konsequent gemeinwohlorientierter Prozess notwendig.
  4. Ausreichende öffentliche Investitionen in die stationäre Infrastruktur sind notwendig, um eine bedarfsgerechte Reform der Krankenhauslandschaft zu verwirklichen
  5. Gesundheitsversorgung muss vom Prinzip der Kooperation und nicht wie derzeit von dem der Konkurrenz geprägt sein: Versorgungsstrukturen müssen sektorenübergreifend und vernetzt arbeiten.
  6. Eine am Gemeinwohl orientierte Gesundheitsversorgung ist nur in demokratischen Strukturen zu gewährleisten: Krankenhäuser müssen auch in ihren inneren Abläufen demokratisch organisiert werden.

 

Quelle: vdaeae.de
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