Katholisches Klinikum Essen: Ärztin in Führungsposition

25. Februar 2016

Prof. Dr. Birgit Hailer: „Wenn Krankenhäuser gute Leute finden wollen, kommen sie an Frauen nicht vorbei“

Frauen in Führungspositionen sind rar – ganz besonders in Krankenhäusern. Und das, obwohl ein Großteil der Medizin-Studierenden weiblich ist. Prof. Dr. Birgit Hailer erzählt, wie sie es trotzdem geschafft hat, die Karriereleiter zu erklimmen, was sich in Zukunft ändern muss und welchen Rat sie für junge Studierende hat.                        

Dreimal vereinbaren wir einen Termin mit ihrem Sekretariat, dreimal werden wir vertröstet: Not-OP, voller Wartesaal, viel zu tun. An einem verhältnismäßig ruhigen Abend, lange nach ihrem geplanten Feierabend, klappt es schließlich. „Jetzt haben wir Zeit“, sagt die Chefärztin der Medizinischen Klinik II – Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Rhythmologie und Gastroenterologie des Katholischen Klinikums Essen.
Prof. Dr. Hailer studierte Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich Wilhelm Universität in Bonn, wurde 2006 zur außerplanmäßigen Professorin der Universität Witten Herdecke ernannt und ist ebenfalls seit 2006 stellvertretende ärztliche Direktorin des Katholischen Klinikums Essen. Ihr Fachgebiet ist Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie, weitergebildet hat sie sich in Internistischer Intensivmedizin und Labormedizin.
Die Leitende Ärztin und ärztliche Vize-Direktorin gehört zu den ganz wenigen Frauen, die es an die Spitze geschafft haben. Laut Deutscher Gesellschaft für Hämatologie und Medizinischer Onkologie e.V. (DGHO) sind zwar 70 Prozent der Medizin-Studenten, aber nur 26 Prozent der ärztlichen Führungskräfte weiblich. Bei den W3-/C4-Professoren liege der Anteil an Ärztinnen bei 6 Prozent.

„Das ist etwas mit zwei Seiten“, unternimmt die Professorin einen Erklärungsversuch. Sicher säßen in Aufsichtsgremien, wo die Personalentscheidungen über ärztliche Führungskräfte getroffen werden, vor allem Männer, die wiederum einen Mann als typische Leitungsfunktion bevorzugten. „Viele Frauen“, führt sie fort, „wollen aber auch keine Führungsposition haben, weil es sich nicht gut mit Familie vereinbaren lässt“. Damit unterstreicht sie die Statistik der DGHO, nach der 71 Prozent der Ärztinnen und Ärzte meinen, dass Karriere und Familie in ihrem Beruf nur mit Kompromissen zu vereinbaren seien.

Ihr persönlicher Weg ebnete sich aus Sicht der Leitenden Ärztin wie von selbst: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal die beiden Kliniken leite.“ Der Medizinberuf sei immer etwas gewesen, das sie geliebt und mit Herzblut ausgeübt habe. „Dafür war ich bereit zu investieren“, sagt die Frau, die einen unregelmäßigen und langen Arbeitstag gern in Kauf nimmt. So öffneten sich Türen: Sie habe gute Gelegenheiten zur Weiterbildung und die richtigen Ausbilder gehabt. Auch am Katholischen Klinikum Essen wurde ihr Tatendrang nie ausgebremst: „Das Katholische Klinikum Essen ist ein Klinikverbund, in dem ich gern arbeite. Hier habe ich Gestaltungsmöglichkeiten und faire Arbeitsbedingungen“, lobt sie und schlussfolgert: „Je weniger man Karriere plant, desto besser.“

Probleme, als Frau ernstgenommen zu werden, hat sie nicht. Für Patienten stehe mehr die Empathie im Vordergrund und ob sie eine gute Bindung aufbauen können. Auch im ärztlichen Bereich stoße die Chefärztin auf hohe Akzeptanz: „Frauen haben einen anderen Blickwinkel. Das wird auch positiv gesehen.“ Natürlich gebe es auch Reibereien, aber die hätten männliche Kollegen auch.

Bei allem Engagement zeigt die Leitende Ärztin größtes Verständnis für Frauen mit kleinen Kindern. Sie ist überzeugt davon, dass sich die Arbeitsbedingungen ändern werden und müssen: „Wenn die Krankenhäuser gute Leute finden wollen, kommen sie an Frauen nicht vorbei.“ Im Krankenhaus könne man als Chefärztin die Verantwortung zwar schlecht abgeben, weil man pünktlich Feierabend machen und das Kind aus der Kita holen muss. Ein Modell, das das möglich macht, ist aus ihrer Sicht aber eine Spitze mit zwei Führungspositionen, ein sogenanntes Jobsharing.

Jungen Studierenden rät sie, immer dran zu bleiben und sich weiter zu qualifizieren. Das gelte nicht nur für spätere Führungskräfte. „Lange Komplettpausen halte ich für schwierig“, gibt sie zu Bedenken und lobt diejenigen, die beides unter einen Hut bekommen: „Frauen, die im Kleinkindalter ihrer Kinder weiterarbeiten, Beruf und Familie kombinieren, beweisen dann schon Führungskompetenz, weil sie priorisieren.“ Unbedingt sollten Medizinstudentinnen ihrer Meinung nach das Fach unabhängig von Arbeitsbedingungen und Bezahlung wählen. „Man wird nur in Sachen gut, die einem Spaß machen“, sagt sie. „Dann ergeben sich die Dinge von selbst und man kommt auch weiter.“

Quelle: Katholisches Klinikum Essen
Render-Time: -0.795692