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Kinderkliniken fordern gezielte Unterstützung für die spezialisierte Kindermedizin statt Gießkannenprinzip

10. November 2022

In Osnabrück verschärft sich die Situation durch das Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums noch einmal deutlich – Aktionstag veranstaltet

Am Mittwoch (8. November) wird der Bundestag über einen Entwurf der Regierungskommission debattieren, bei dem die Kindermedizin besser unterstützt werden soll. Dieser Entwurf ist für die Kinderkliniken unzureichend, sogar für ihre Substanz gefährdend. Daher haben die fünf unabhängigen Kinderkliniken in Nordwestdeutschland (Wilhelmsstift Hamburg, Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT Hannover, Christliches Kinderhospital Osnabrück, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln und Kinderklinik Siegen) einen Tag vor der Bundestagsdebatte einen Aktionstag durchgeführt. Viele Mitarbeitende setzten mit Taschen- und Handylampen ein sichtbares Zeichen.

Hintergrund: Die Koalitionäre im Bundestag und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach haben früh erkannt, dass die Kinderkrankenhäuser in dem derzeitigen Finanzsystem nicht auskömmlich finanziert sind. Sie haben Abhilfe versprochen und sind daran, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Es ist erfreulich und lobenswert, dass für die Versorgung in den nächsten zwei Jahren zusätzlich 300 Mio. Euro bereitgestellt werden sollen.

Die spezialisierten Kinderabteilungen und Kinderkliniken beklagen allerdings, dass der für die Finanzierung notwendige Gesetzentwurf ihnen wenig bis nichts nützen wird.

Statt zu fokussieren und die Gelder gezielt dort einzusetzen, wo die finanzielle Notlage am größten und die Versorgung am gefährdetsten ist, werden Mittel nach dem Gießkannenprinzip förmlich verschwendet und unter allen Krankenhäusern verteilt, in denen Kinder behandelt werden – unabhängig davon, ob das gerechtfertigt ist. Was gut gemeint ist, erweist sich alles andere als gut. Im Gegenteil. Wird der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form umgesetzt, hat das dramatische Auswirkungen für die Zukunft der Kinderabteilungen und Kinderkliniken.

Es macht einen großen Unterschied, ob 300 Mio. an 334 Kinderkliniken verteilt werden, in denen eine spezialisierte und bisweilen hochspezialisierte Kinderheilkunde geleistet wird und entsprechende Kenntnisse und Vorhalteleistungen zu finanzieren sind, oder an alle rund 1.800 Krankenhäuser in Deutschland, in denen Kinder größtenteils von Medizinern behandelt werden, die üblicherweise Erwachsene behandeln. Allgemeinchirurgen, Orthopäden, Hals-Nasen-Ohrenärzte oder Augenärzte zum Beispiel kümmern sich in Krankenhäusern ohne pädiatrische Fachabteilung auch um Kinder, ohne dass dort für eine spezialisierte Kindermedizin notwendigen Vorhaltekosten anfallen. Damit soll nichts gegen die Qualität ihrer Arbeit gesagt werden. Auch diese Mediziner leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Aber Tatsache ist, dass dort die auf Erwachsene ausgerichtete Infrastruktur zusätzlich durch die Behandlung von Kindern ausgelastet wird. Weshalb solche Krankenhäuser zusätzlich Geld erhalten, das spezifisch für die notleidende Kinder- und Jugendmedizin vorgesehen ist, ist weder nachvollziehbar noch zielführend.

Das Bundesgesundheitsministerium schickt sich mit seinem Gesetzentwurf an, zahlreichen Krankenhäusern zusätzlich Geld für etwas zu geben, das sie nicht leisten (Kinderheilkunde). Mit dem fatalen Effekt, dass den auf Pädiatrie spezialisierten Kinderkrankenhäuser und -kliniken (334 in ganz Deutschland) von den 300 Mio. am Ende viel zu wenig bleibt, um ihre finanzielle Not zu lindern bzw. um ihre Existenz langfristig zu sichern.
Das sind unerfreuliche Aussichten für Kinder mit Erkrankungen, die die Kapazität der Grundversorgung übersteigen – und für die Familien dieser Kinder. Sollte der vorliegende Gesetzentwurf umgesetzt werden, droht vielen der Kinderkliniken das Aus. Denn kein verantwortungsbewusster Träger kann es sich leisten, strukturelle Defizite, untern denen die Kinderkliniken seit längerem leiden, langfristig hinzunehmen.

Mit seinen Plänen verschlimmert das Bundesgesundheitsministerium, was es eigentlich verhindern will – dass die Qualität der medizinischen Versorgung abnimmt. Die spezialisierten Kinderabteilungen und Kinderkliniken fordern deshalb, dass die zusätzlichen Mittel allein den spezialisierten Kinderkrankenhäusern und Kinderabteilungen zur Verfügung gestellt werden, um insbesondere auch die spezialisierte ambulante Versorgung zu stärken.

Denn rund 70 Prozent der behandelten Fälle in Kinderkrankenhäusern erfolgen ambulant. Aus einem einfachen Grund: Im Unterschied zur Erwachsenenmedizin arbeiten die auf spezifische Krankheiten spezialisierten Kinderärzte nicht als niedergelassene Fachärzte, sondern in den Kinderkrankenhäusern.

Die spezialisierten Kinderabteilungen und Kinderkliniken appellieren deshalb an den Bundesgesundheitsminister, die aktuelle Gesetzesvorlage nochmals zu überdenken und das vorhandene Geld klug, bedarfsgerecht und zielführend einzusetzen.

Besondere Situation in Osnabrück

In Osnabrück verschärft sich die Situation durch das Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums noch einmal deutlich – denn der Minister deckelt die Kliniken. Behandelt eine Klinik mehr Patienten als noch im Jahr 2019 bekommt sie nur einen kleinen Zuschlag – in Extremfällen kann es sogar dazu kommen, dass kein Zuschlag gezahlt wird und die Krankenhäuser sogar eine Rückzahlverpflichtung für sogenannte Mehrleistungen tragen müssen.

Hiervon betroffen ist unter anderem das Christliche Kinderhospital in Osnabrück. Als hochspezialisierte Fachklinik hat sich das Haus auch in den Jahren der Pandemie stetig entwickelt und hat sogar neue Fachbereiche, wie die Kinderorthopädie und die Kinderpsychosomatik aufgebaut. Hoch aufwendige Behandlungen und mehr Patienten führen dazu, dass das Krankenhaus den zu erwartenden Zuschlag komplett wieder zurückzahlen muss.

Solle das Eckpunktepapier von Prof. Dr. Lauterbach umgesetzt werden heißt dies, dass in den großen Kinderkliniken in Niedersachsen die Lichter ausgehen, denn gestiegene Anforderungen an Vorhaltung, erhöhte Kosten für Arzneimittel und Medizinprodukte und die gestiegene Inanspruchnahme bei ambulanter Notfallbehandlung lassen den Häusern keine andere Wahl als das Angebot einzuschränken. Konkret heißt das, Einschränkung der Ambulanz, längere Wartezeiten auf Termine im Krankenhaus zur Abklärung von Erkrankungen.

Quelle: christliches-kinderhospital.de
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