Kliniken fordern vollständige Refinanzierung der Tarifsteigerungen – KVSW von Streiks betroffen

30. März 2023

Am Mittwoch, den 22.3.2023 war das Klinikum Sindelfingen-Böblingen in der Früh-, Spät- und Tagschicht von Streikmaßnahmen betroffen und somit erstmals Häuser des Klinikverbundes Südwest (KVSW) im Rahmen der aktuellen Tarifverhandlungen. Der KVSW hatte mit Ver.di im Vorfeld eine Notdienstvereinbarung getroffen, so dass die Notfallversorgung grundsätzlich gesichert war. Für Donnerstag, den 30. März hat der Marburger Bund angekündigt, alle Häuser des KVSW im ärztlichen Bereich zu bestreiken. Auch hier wird es eine Notdienstvereinbarung geben, um die Mindestbesetzung für die Notfallversorgung zu gewährleisten. In Erwartung des Streiks wurden zudem bereits im Vorfeld, wann immer möglich, planbare Eingriffe und Termine verschoben. Da zeitgleich alle sechs Häuser des Verbundes bestreikt werden, kann es zu weiteren Verschiebungen und Wartezeiten kommen.

Wir haben Verständnis für die Forderungen der Gewerkschaften: viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den letzten Jahren bundesweit schon aus dem Klinikbereich abgewandert und der Fachkräftemangel ist immanent, weil Entlohnung und gesellschaftliche Wertschätzung nicht mit der geleisteten Arbeit korrespondieren. Andererseits muss trotz Streik die Patientenversorgung gesichert sein, daher die entsprechende Vereinbarung. Eine klare Forderung geht aber an dieser Stelle an die Bundespolitik, die anstehenden Tarifsteigerungen auch wirklich komplett gegenzufinanzieren. Wir können nicht jede entstehende Finanzierungslücke mit Reorganisationsmaßnahmen kompensieren“, unterstreicht Alexander Schmidtke, Geschäftsführer des Klinikverbundes Südwest.

Die Kliniken in Baden-Württemberg erwarten 2023 nahezu flächendeckend eine Verdoppelung der ohnehin schon dramatischen Defizit-Ergebnisse aus dem Jahr 2022. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) hervor. [Link aktuelle PM BWKG vom 20.3.2023] Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert deshalb umgehend ein Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser. Nur so könne verhindert werden, dass Kliniken vor der großen Krankenhausreform in Insolvenz gehen und dadurch Versorgungslücken entstehen.

„Die vom Bund beispielsweise in Aussicht gestellten Finanzhilfen von 6 Milliarden Euro sind momentan reine Schaufenstermilliarden und kommen bei uns in den Kliniken nicht an“, so Alexander Schmidtke. „Gemäß Königssteiner Schlüssel müssten rund 13 Prozent der Finanzhilfen, sprich 780 Millionen Euro auf Baden-Württemberg entfallen. Nach Planbettenanteil entspräche das ca. 18 Millionen nur für den KVSW. Davon hatten wir im Wirtschaftsplan 2023 gerade einmal 75 Prozent vorsichtig veranschlagt, Stand heute erhalten wir nicht einmal ein Drittel davon – das entspräche einer Unterfinanzierung von minus 10,8 Millionen Euro. Erschwerend kommt hinzu, dass die Regelungen zum Ganzjahresausgleich 2023 ebenfalls entfallen. Der geplante Ganzjahresausgleich lag ursprünglich bei 7,8 Millionen Euro, eine Kompensation kann somit nur durch Mehrleistungen erfolgen.“

Als weitere Damoklesschwerter schweben über den Kliniken zudem der allgegenwärtige Fachkräftemangel sowie der neue AOP-Katalog. Der zum April greifende neue Vertrag für ambulantes Operieren soll die Anzahl stationärer Eingriffe reduzieren. Allerdings erhalten Kliniken in den meisten Fällen dann nur noch rund ein Drittel der bisherigen Vergütungen. Im KVSW entspräche das ca. 12 Millionen Euro an Mindererlösen. „In den Bestandsgebäuden haben wir kaum Möglichkeiten kurzfristig die klinischen Prozesse auf die Vielzahl der ambulanten Eingriffe anzupassen; erst mit den Neubauten und Sanierungen werden wir hier effiziente ambulante Strukturen vorhalten können“, erläutert Alexander Schmidtke. „Daher fordern wir 2023 eine volle Refinanzierung der anstehenden Tarifkostensteigerungen. Die aktuellen Forderungen der Gewerkschaften für Lohnsteigerungen für die Beschäftigten, die uns alle gut durch die Pandemie gebracht haben, sind legitim. Allein im KVSW entspricht jeder Prozentpunkt einer Tariferhöhung aber rund 3 Millionen Euro – Geld, das die Kliniken nicht zusätzlich alleine aufbringen können.“

Quelle: klinikverbund-suedwest.de
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