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Mit Doppel-Wumms in die Insolvenz – Alarmstufe ROT für Kliniken!
CLINOTEL-Stellungnahme zur geplanten Reform der Krankenhausfinanzierung
Zusammenfassung
Zum Aktionstag der Krankenhäuser am 20.09.2023, der von Insolvenzmeldungen auch versorgungsnotwendiger Krankenhäuser überschattet wird, nimmt der CLINOTEL-Verbund ausführlich Stellung zur geplanten Finanzierungsreform von Bundesgesundheitsminister Lauterbach.
Aktuell erwarten sämtliche Krankenhaus-Experten eine ungesteuerte Krankenhausinsolvenz-Welle und auch das Bundesministerium für Gesundheit veröffentlicht auf seiner Website:
„Fest steht: Ohne Reform werden viele Krankenhäuser ungesteuert Insolvenz anmelden müssen. Mit der Reform bekommen Krankenhäuser wieder eine Perspektive.“
Der CLINOTEL-Krankenhausverbund hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob die geplante Krankenhausreform wirklich eine Perspektive bietet, die erwartete ungesteuerte Insolvenzwelle der Krankenhäuser zu vermeiden. Zu den Kernelementen der Reform nimmt CLINOTEL auf den folgenden Seiten Stellung und stellt, wo erforderlich, alternative Lösungsansätze vor. Wir verstehen uns dabei nicht als Lobbyisten betriebswirtschaftlicher Interessen von Krankenhäusern. Vielmehr entspringt unsere Stellungnahme zur von der Bundespolitik aufgezeigten Perspektive einem Gefühl der Verantwortung der Geschäftsführungen und Vorstände unserer Mitgliedshäuser für ihre Patientinnen und Patienten sowie die Mitarbeitenden.
Im Ergebnis stellen wir fest, dass die Reform eine Reihe guter und nachvollziehbarer Ansätze z.B. zu Konzentration und Spezialisierung komplexer Leistungen, Vorhaltefinanzierung und zur Weiterentwicklung einer sektorenübergreifenden Versorgung bietet.
Die Ansätze zur Betriebskostenfinanzierung lösen das aktuelle Kernproblem der Diskrepanz zwischen Kostenentwicklungen (Tariferhöhungen und Inflation) und den gesetzlich gedeckelten Budgeteinnahmen jedoch NICHT! Die angedachte Vorhaltefinanzierung kann diese Diskrepanz nicht auflösen, da laut Eckpunktepapier Budgetneutralität angestrebt wird, d.h. es wird lediglich eine Umverteilung finanzieller Ressourcen zwischen den Krankenhäusern stattfinden.
Bei den Patientinnen und Patienten findet durch die von Seiten des Bundesministers vorgetragene öffentliche Darstellung der massiven finanziellen Probleme bis hin zur Insolvenz eine tiefe Verunsicherung bezüglich der Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser und des Gesundheitssystems statt. Auch und sogar besonders dann, wenn gleichzeitig beteuert wird, dass die Zahlungsunfähigkeit von Krankenhäusern keinerlei Auswirkungen auf die medizinische Versorgung hat.
Und auch die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern sind massiv verunsichert, entwickeln Zukunftsängste und einige verlassen das ihrer Meinung nach „sinkende Schiff“, um sich eine neue Beschäftigung außerhalb des Krankenhauses zu suchen. Dabei brauchen wir sie mehr denn je.
Die Reform der Krankenhausfinanzierung - Ausgangslage
Die aktuelle finanzielle Situation der Krankenhäuser ist durch erheblich gestiegene Kosten bei gleichzeitigem Erlösrückgang gekennzeichnet. In den Jahren 2020 bis 2022 wurde die Corona-Pandemie bedingte Leistungsdegression in weiten Teilen durch Staatshilfen und Budgetausgleiche kompensiert. Diese Kompensation wurde nachvollziehbar mit dem Ende der Pandemie beendet. Der Trend zur Ambulantisierung und verringerte personelle Ressourcen durch den Fachkräftemangel führen jedoch dazu, dass das durchschnittliche deutsche Krankenhaus in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zu 2019 rund 12 Prozent weniger Patienten behandelt und knapp 9 Prozent weniger Erlöse erzielt. Der Trend zur Ambulantisierung wird durch normative Vorgaben weiter verstärkt, so dass CLINOTEL mittelfristig von einer weiteren Reduktion stationärer Erlöse von bis zu 11 Prozent ausgeht.
Kostenseitig ist durch die Folgen des Krieges in der Ukraine ein kurzfristiger und extremer Anstieg der Energie- und Sachkosten zu verzeichnen. So lagen die Inflationsraten in den Jahren 2022 und 2023 in Deutschland zeitweilig bei über 10 Prozent. Sekundär kommen Kostensteigerungen durch Tarifabschlüsse hinzu, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachvollziehbar eine Kompensation der mit der Inflation für sie verbundenen Belastungen anstreben. Der Energiepreis- und Sachkostenanstieg wurde bzw. wird in den Jahren 2022 und 2023 zum Teil durch Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds subventioniert. Diese notwendige Unterstützung fällt jedoch 2024 weg – wobei die Wirkungen aus Tarifabschlüssen und der Inflation Kostensteigerungen von über 10 Prozent erwarten lassen.
Anders als in der „freien Wirtschaft“ dürfen Krankenhäuser ihre Kostensteigerungen jedoch nicht vollständig weitergeben. Gesetzliche Regelungen bedingen vielmehr, dass diese nur anteilig berücksichtigt werden. 2023 liegt der so genannte „Veränderungswert“ bei 4,3 Prozent.
Von Krankenhausmanagern kann zu Recht erwartet werden, dass sie den erlösseitigen Einflussgrößen durch die qualitative Weiterentwicklung ihres Leistungsangebots und ggf. auch durch Aktivitäten zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber aktiv entgegenwirken. Die geschilderten kostenseitigen Einflussgrößen können jedoch auch durch das beste Management nicht bewältigt werden, da sie systemisch angelegt sind.
Insofern überraschen die Ergebnisse der aktuellen Roland-Berger Krankenhausstudie, nach der 51% der deutschen Krankenhäuser im Jahr 2022 ein negatives Betriebsergebnis verzeichneten, nicht. Laut Umfrage gehen die deutschen Krankenhausmanager von einer deutlichen Verschlechterung der betriebswirtschaftlichen Situation bis 2028 aus.
Dass es sich hierbei nicht um Kassandra-Rufe handelt, zeigen Schlagzeilen wie in der Tageszeitung „Die Welt“ vom 29.07.2023 mit dem Titel „Sprunghafter Anstieg bei Klinik-Insolvenzen“ und Berichte, dass im ersten Halbjahr bereits 17 Klinik-Insolvenzen angemeldet wurden, gegenüber 10 im gesamten Jahr 2022. Vielmehr zeigen die aktuellen Einschätzungen eine Insolvenzwelle als realitätsnahe Perspektive auf, für den Fall, dass der Gesetzgeber nicht interveniert.
Der für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und Daseinsvorsorge verantwortliche Bundesgesundheitsminister plädiert für eine Reform der Krankenhausfinanzierung, deren Eckpunkte mit den Bundesländern abgestimmt wurden und in ihrer aktuellsten Version vom 10.07.2023 vorliegen.
Im Folgenden geht CLINOTEL auf diese Eckpunkte ein, bewertet sie und legt bei Bedarf alternative Lösungsvorschläge vor. Hierbei beschränken wir uns, wie die geplante Reform, ausschließlich auf die Vergütung der Betriebskosten.
Stabilisierung der Finanzierung durch Umverteilung
Reformansatz
Verteilung der Budgets nach Qualität und Leistung. Mittels Konzentration und Spezialisierung sollen Gelder umverteilt werden, so dass Skaleneffekte durch Schließungen von Fachabteilungen und Krankenhäusern entstehen. Eine Steigerung der Aufwendungen für den Krankenhaussektor insgesamt wird ausgeschlossen.
Bewertung CLINOTEL
Die Mitglieder des CLINOTEL-Verbundes sehen die gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen und teilen den grundsätzlichen Ansatz, dass finanzielle Mittel nach Qualität und Leistung verteilt bzw. auch umverteilt werden. Der Reformansatz ist allerdings ein betriebswirtschaftliches Experiment, welches erst einmal hinsichtlich der Wirksamkeit geprüft werden muss und aufgrund der eingeplanten Konvergenzphase ohnehin erst in mehreren Jahren wirksam werden kann. Rein rechnerisch ist allerdings heute schon klar, dass Krankenhäuser aus dem Markt ausscheiden werden, wenn ausschließlich auf Umverteilung gesetzt wird.
Der Reformansatz löst vor allem das oben aufgezeigte akute und grundlegende Problem auf der Kosten-/Erlösseite nicht, da der sog. Veränderungswert systemisch bedingt deutlich hinter der Lohn- und Preisentwicklung zurückbleibt. In einem personalintensiven Sektor wie dem Krankenhaus, ist ein Finanzierungssystem, welches Tarifentwicklungen dauerhaft nicht finanziert, auf Insolvenz und Zusammenbruch ausgelegt.
Die zwischen Bund und Ländern am 10. Juli 2023 vereinbarten Eckpunkte für eine Krankenhausreform sehen vor, dass geprüft werden soll, ob weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung in Bezug auf die Tarifkostenentwicklung notwendig sind. Bei der Prüfung wird gem. Aussage der Bundesregierung (Drucksache 20/8011 Deutscher Bundestag) „die Finanzierbarkeit entstehender Mehrbelastungen durch die Beitragszahlenden wie durch die Arbeitgebenden zu berücksichtigen sein. Dies war auch für die Bundesregierungen der vergangenen Legislaturperioden ein wichtiger Aspekt bei den Begrenzungen der Tarifrefinanzierung.“
Eine derartige systemische Unterfinanzierung muss mit einer Finanzierungsreform angegangen werden, das ist durch Umverteilung unzureichender Mittel nicht lösbar.
Lösungsansatz CLINOTEL
Die Mitgliedshäuser fordern, die methodische Schwäche der Vergütungssystematik anzugehen. Beginnend für 2024 erfolgt im Herbst 2023 eine institutionelle, objektive Festlegung eines prospektiven Veränderungswertes des Budgets, welcher sich an den realistisch zu erwartenden Tarif- und Kostenentwicklungen der Krankenhäuser des Folgejahres orientiert. Dieser kann bei realer Veränderung über Folgebudgets ausgeglichen werden. Die Finanzierung ist für die Krankenkassen weitgehend gesichert, da die gezahlten Tariferhöhungen in ähnlicher Höhe in die Krankenkassenbeiträge der Versicherten fließen. Die Mehrausgaben sind somit im Wesentlichen durch Mehreinnahmen gedeckt.