Arbeitsgericht Hannover kippt 30-Minuten-Regel für Rufbereitschaft
Das Arbeitsgericht Hannover hat die Vorgabe eines kommunalen Klinikums, Ärzt:innen in der Rufbereitschaft binnen 30 Minuten am Patienten verfügbar zu machen, für unwirksam erklärt. Begründung: Die Zeitvorgabe schränkt die freie Ortswahl der Rufbereitschaft unzulässig ein und unterläuft den Erholungswert der Ruhezeit. Arbeitgeber müssen bei Bedarf andere Arbeitsmodelle wie Bereitschaftsdienste nutzen. Das Urteil (Az.: 2 Ca 436/24) ist noch nicht rechtskräftig.
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Der Marburger Bund Niedersachsen hat vor dem Arbeitsgericht Hannover ein richtungsweisendes Urteil erstritten. Gegenstand des Streits war die Dienstanweisung eines kommunalen Klinikums, die Ärzt:innen dazu verpflichtete, sich in der Rufbereitschaft innerhalb von 30 Minuten bei Patienten verfügbar zu machen. Nach Auffassung des Gerichts ist eine solche Vorgabe mit dem Wesen der Rufbereitschaft nicht vereinbar.
Denn die Tarifregelungen (TV-Ärzte/VKA) sehen für die Rufbereitschaft eine freie Wahl des Aufenthaltsorts vor. Diese Flexibilität gewährleistet den Charakter der Ruhezeit. Die Vorgabe von 30 Minuten zwingt Ärzt:innen jedoch faktisch in die Nähe des Arbeitsplatzes. Umkleide- und Wegezeiten werden so mit der Frist verknüpft, was einer Aufenthaltsbeschränkung gleichkommt.
Das Gericht schloss sich der Argumentation des Klägers an und verwies auf bestehende Rechtsprechung: Anfahrtszeiten von zehn bis 20 Minuten sind unzulässig, mehr als 45 Minuten sind hingegen nicht mehr mit Rufbereitschaft vereinbar. Die streitige Regelung überschreite die Grenze der Zumutbarkeit.
Rechtsanwältin Sarah Steenken vom Marburger Bund betont die Bedeutung des Urteils für den Schutz der Freizeit und den Erholungswert der Rufbereitschaft. Arbeitgeber können externe Strukturvorgaben nicht zulasten arbeitszeitrechtlicher Regelungen durchsetzen. Wer eine 30-minütige Verfügbarkeit sicherstellen will, muss auf Bereitschaftsdienste oder andere organisatorische Lösungen setzen.
Das Urteil (Az.: 2 Ca 436/24 vom 24.04.2025) ist noch nicht rechtskräftig. Der Arbeitgeber hat Berufung eingelegt.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover kippt eine zentrale Vorgabe für Rufbereitschaften. Klingt harmlos? Ist es aber nicht.
Das Gericht erklärte die Pflicht, in Rufbereitschaft binnen 30 Minuten beim Patienten zu sein, für unwirksam. Begründung: zu starke Einschränkung der freien Ortswahl, zu wenig Erholung.
Doch diese 30-Minuten-Regel ist nicht irgendeine Vorgabe. Sie ist tief in den Strukturen des G-BA verankert – von StrOPS über LOPS bis zu den Notfallstufen. Wer sie nicht erfüllt, riskiert OPS-Zertifikate und Erlöse in Millionenhöhe.
Meine Position:
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, stünde ein Paradigmenwechsel bevor. Kliniken müssten Rufbereitschaften durch kostspielige Bereitschafts- oder Schichtdienste ersetzen – ohne Gegenfinanzierung und in einem System, das ohnehin am Limit ist. Telemedizinische Ansätze? Sie liegen auf dem Tisch, sind aber noch nicht Realität.
Solche Urteile mögen arbeitsrechtlich einwandfrei sein, sind aber gesundheitspolitisch blind. Wir brauchen dringend eine Harmonisierung von Arbeitsrecht, Strukturvorgaben und Finanzierungslogik, sonst zahlen am Ende Patient:innen und Häuser die Zeche … mehr auf
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