Bericht von der 73. Jahrestagung der VKD-Landesgruppe Hessen – ‚Es bleibt nichts, wie es war!‘

Es bleibt nichts, wie es war!

27. September 2024
  • Ökonomie
  • Politik

Unter dem Motto „Es bleibt nichts, wie es war!

fand am 25. und 26. September 2024 im Kongresshotel Esperanto in Fulda die 73. Jahrestagung der VKD-Landesgruppe Hessen statt. Vor dem Hintergrund der anstehenden tiefgreifenden Reformen im Gesundheitswesen beleuchtete das Führungskräftetreffen des Krankenhausmanagements die zentralen Herausforderungen und Perspektiven.

Nach der Begrüßung durch Hubert Connemann, Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe Hessen, und Grußworten von Dr. Heiko Wingenfeld (Oberbürgermeister Fulda) und Prof. Dr. Christian Höftberger (Präsident der HKG) startete der erste Tag mit einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Boris Augurzky. Er beleuchtete die Auswirkungen der aktuellen Krankenhausreform und stellte die Frage, ob diese Reform tatsächlich den versprochenen revolutionären“ Wandel bringt oder ob die Herausforderungen der flächendeckenden Versorgung ungelöst bleiben.

Wolfgang Müller, Geschäftsführer und Vizepräsident des VKD, gab in seinem Vortrag einen detaillierten Überblick über den aktuellen Stand der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen. Er betonte, dass das Bundesland bei der Umsetzung der Krankenhausreform in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle einnehme. Müller machte deutlich, dass NRW bei der Krankenhausplanung über Leistungsgruppen mit Qualitätskriterien anderen Bundesländern einige Schritte voraus ist. Krankenhäuser und Verbände haben dabei eng mit dem Ministerium zusammengearbeitet. Dennoch gebe es noch viele offene Fragen, insbesondere bei der nun anstehenden konkreten Umsetzung.

Prof. Dr. Steffen Gramminger, Geschäftsführer Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG), beleuchtete in seinem Vortrag die Rolle der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG) als dynamischer Akteur in der hessischen Gesundheitspolitik. Er betonte, dass die HKG nicht nur als Interessenvertretung der Krankenhäuser agiert, sondern sich aktiv in politische Entscheidungsprozesse einbringt. In einer immer komplexer werdenden Gesundheitslandschaft setzt die HKG auf agile Strategien, um schnell auf gesetzliche Änderungen und neue Herausforderungen reagieren zu können. Insbesondere im Rahmen der aktuellen Krankenhausreform nimmt die HKG eine Schlüsselrolle ein, indem sie den Dialog zwischen den Krankenhäusern und der Landespolitik fördert und praxisnahe Lösungen entwickelt.

Am Nachmittag standen rechtliche und organisatorische Themen im Vordergrund, wie z.B. die Rolle der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Krankenhaussektor, die von Dr. Karin Hahne vorgestellt wurden. Ein weiteres Highlight war der Vortrag von Cem Uyanik, der mit „Urban Ray – Rohrpost durch die Luft“ ein innovatives Konzept für die Logistik im Krankenhausbetrieb vorstellte. Das Start-up-Unternehmen Urban Ray hat sich zum Ziel gesetzt, die Lieferung von Waren in die dritte Dimension, den Luftraum, zu verlagern. Dazu hat das Team im Rahmen des Innovation Sprints einen Prototyp seiner autonomen Paketdrohne („Ray“) und der dazugehörigen Bodenstation („Hub“) entwickelt. Uyanik konnte überzeugend darlegen, dass mit „Urban Ray“ eine Revolution in der Medizin- und Krankenhauslogistik bevorsteht.

Den Abschluss bildete eine inspirierende Keynote von Nico Gundlach über „Nachhaltige Kommunikation durch Storytelling“ – eine unerwartete Perspektive für das Klinikmanagement, um Mitarbeiter und Patienten effektiv zu erreichen. Nico Gundlach ist ein renommierter Experte für Storytelling und Führungskräftemarketing. Als CEO der Markenagentur „Bestes Pferd im Stall“, die er 2002 mitgründete, gab er einen unterhaltsamen Einblick in seine umfangreichen Erfahrung in der Begleitung von Unternehmen und Experten bei Positionierungs- und Markenführungsprojekten. Gundlach hat sich dabei besonders auf das Thema Storytelling für Führungskräfte spezialisiert und betonte  die Bedeutung des Episoden-Gedächtnisses und die Kunst, z.T. merkwürdige Geschichten zu erzählen, um eigene Botschaften zu transportieren. Für alle Teilnehmer ein lohnenswerte Erfahrung.

Ein Sektempfang und eine Kabarettveranstaltung läuteten nach einem informativen Arbeitstag den kulturell-kulinarischen geprägten Abend ein.

Andrea Volk ist als Kabarettistin das personifizierte Chaos des Büroalltags – mit dem Unterschied, dass man bei ihr über den ganzen Wahnsinn herzlich lachen kann. Als Autorin und TV-Journalistin hat sie schnell gemerkt, dass die Nachrichtenwelt zu aufgeräumt ist für ihren scharfsinnigen Humor. Also ab auf die Kabarettbühne, wo sie den alltäglichen Bürowahnsinn – ob Chefetage oder Kaffeeküche – mit satirischer Präzision aufs Korn nimmt. Ihr Markenzeichen? Schwarzer Humor mit einem Schuss Realität. Am Ende fragte sich das hoch amüsierte Publikum: Ist das Leben Kabarett oder ist Kabarett Leben? Bei Andrea Volk wohl beides.

Den Abend ließen die Teilnehmer im Grillrestaurant Toro Negro ausklingen, das eine besondere kulinarische Attraktion in Fulda darstellt. Es verbindet authentische brasilianische Grillkunst mit modernem Ambiente und spektakulärem Ausblick. Ein idealer Ort zum Netzwerken und entspannen.

Der zweite Veranstaltungstag der VKD-Jahrestagung wurde von Dr. Dirk Fellermann aus Bad Nauheim eröffnet. In seinen Grußworten betonte Dr. Jörg Schrödter, Vorsitzender der VLK Landesgruppe Hessen, die enge Zusammenarbeit zwischen der VLK und dem VKD. Gemeinsam stelle man sich den drängenden Herausforderungen, die in den kommenden Monaten auf das Gesundheitswesen zukämen.

Den ersten Vortrag des Tages hielt Dr. Nils Gaebel, Referatsleiter und Datenschutzbeauftragter der hessischen Datenschutzbehörde, zum Thema „Cyberkriminalität, Datensicherheit und Datenschutz in hessischen Kliniken“. Er blickte zurück auf die jüngsten Cyberangriffe auf die Uniklinik Frankfurt, auf das KJF Augsburg u.v.a.m., bei denen die Kliniken sofort vom Netz genommen werden mussten. Die Versorgung wurde zeitweise nur noch mit Stift und Papier aufrechterhalten. Besonders beunruhigend sei, dass der finanzielle Schaden durch die Angriffe, der in Frankfurt beispielsweise im zweistelligen Millionenbereich lag, in der Regel gegenüber den Verursachern nicht geltend gemacht werden kann. Gaebel wies darauf hin, dass Ransomware-Angriffe, Phishing und Social Engineering zu den häufigsten Bedrohungen gehören, wobei Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet seien, Vorfälle umgehend zu melden. Allein im Jahr 2023 gingen von insgesamt 502 Meldungen an die hessische Datenschutzbehörde 292 Meldungen aus dem Gesundheitsbereich kamen. Die Auswirkungen solcher Angriffe gefährden die Vertraulichkeit und Integrität von Patienten- und Beschäftigtendaten und führen nicht selten zu einem erheblichen Imageschaden der betroffenen Einrichtungen. Gaebel empfahl, im Ernstfall hohe Transparenz zu zeigen, wie es das Universitätsklinikum Frankfurt vorbildlich vorgemacht habe. Zudem sei es ratsam, auf externe Expertise zu setzen und sich präventiv durch Versicherungen abzusichern. Abschließend unterstrich er die Rolle der Künstlichen Intelligenz für die Zukunft der Datensicherheit und schlug die Gründung einer Arbeitsgruppe zum Thema Cyberangriffe im Gesundheitswesen vor, um Stakeholder zu vernetzen und Wissen zu bündeln.

Ralf Schetzkens, Abteilungsleiter im Hessischen Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP), stellte in seinem Vortrag die Entstehungsgeschichte und die aktuellen Herausforderungen der Behörde vor. Er erinnerte daran, dass die Corona-Pandemie Schwachstellen in den Gesundheitsstrukturen aufgedeckt habe, die letztlich zur Gründung des HLfGP geführt hätten. Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsverwaltung“, das am 08. Dezember 2022 vom Hessischen Landtag verabschiedet wurde, bündelt die Landesregierung seitdem zentrale Aufgaben in den Bereichen Versorgung, Überwachung und Förderung. Mit 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an vier Standorten, ist das HLfGP in sieben Abteilungen organisiert. Vor allem am Standort Gießen sind derzeit drei Themen besonders präsent: die Personalsituation, die langen Bearbeitungszeiten und die Sicherung der Liquidität. Schetzkens betonte, dass diese „Reizthemen“ dringend angegangen werden müssten, um die Effizienz der Behörde zu steigern und den gestiegenen Anforderungen im Gesundheitswesen gerecht zu werden.

Dr. Ben Michael Risch vom Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege präsentierte in seinem Vortrag zur krankenhausplanerischen Umsetzung des KHVVG in Hessen sieben zentrale „Puzzleteile“, die den aktuellen Stand der Reform und deren Herausforderungen verdeutlichen:

1. Bundesrecht: Das Krankenhausversorgungsgesetz (KHVVG) zerfällt in viele Einzelanträge, und ein Vermittlungsausschuss ist höchst unwahrscheinlich. Obwohl die Reform nicht perfekt ist, betonte Risch, dass sie besser sei als gar keine Reform. Besonders die noch ausstehenden, zustimmungspflichtigen Rechtsverordnungen – wie die Mindestfallzahlen und der Transformationsfonds – sorgen jedoch weiterhin für Unsicherheiten.

2. Grouper: Am 30. September wird der noch nicht zertifizierte Leistungsgruppen-Grouper, das zentrale Tool zur Planung, lediglich an das BMG übergeben. Während der Grouper Vorteile, wie bundesweite Vergleiche und die Abbildung hochspezialisierter Leistungen über Ländergrenzen hinweg erwarten lässt, fehlt es an der so wichtigen Berücksichtigung der Strukturmerkmale.

3. Landesgesetz: Am Vortag der Tagung wurde ein Entwurf für das neue Landeskrankenhausgesetz in Hessen vorgelegt. Er enthält erstmals den Begriff „Leistungsgruppen“ in der Planung und ist in der Drucksache 21-1117 einsehbar.

4. Patientenvorausberechnung: Für das Jahr 2035 wurden in Hessen Vorausberechnungen nach Leistungsgruppen erstellt. Die aktuellen Ergebnisse zeigen nach aktuellem Stand eine Abweichung von -0,7%, die jedoch nicht zu den prognostizierten Personalzahlen passt.

5. Datenmeldungen der hessischen Krankenhäuser: Nur zwei hessische Krankenhäuser haben bisher keine Daten gemeldet. Es fehlen jedoch noch Definitionen bei den Personalkennzahlen. Hessen wird trotzdem das erste Bundesland ein, das dem BMG mitteilen kann, dass es zu den fehlenden Strukturmerkmalen im Planungstool Aussagen machen kann.

6. Notfallversorgung: Es wurden systematische Vorschläge zur klaren Trennung zwischen elektiven und Notfallleistungen vorgestellt, um die Effizienz in der Notfallversorgung zu steigern.

7. Krankenhausplan: Alle genannten Punkte laufen im Krankenhausplan zusammen. Neu ist, dass nun auch Auswahlentscheidungen getroffen werden müssen, die Konsequenzen für einzelne Kliniken haben, unter Berücksichtigung von Trägerpluralität sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Heiko Müller von der Hessen-Agentur GmbH stellte eine erste Auswertung der Datenerhebung für die hessische Krankenhausplanung im Rahmen der anstehenden Reform vor. Er betonte, dass ein sensibler Umgang mit den erhobenen Daten stets gewährleistet sei. Die Erhebung umfasst 130 Formularseiten und bezieht sich auf 107 somatische Krankenhäuser an 124 Standorten. Bisher liegen Daten von 109 Standorten vor, was einer Abdeckung von 88% entspricht. Nach den vorliegenden Ergebnissen werden 94% der angestrebten Leistungsgruppen (LG) bereits erbracht, 6% befinden sich noch in der Planungsphase. Eine Herausforderung stellt die Diskrepanz zwischen den darstellbaren Leistungen im Leistungsgruppen-Grouper und der tatsächlichen Aussage „wir machen aber“ dar. Belegärztliche Leistungen machen 10% der Leistungsgruppen aus, was Herr Müller als fragwürdiges hessenspezifisches Problem identifizierte, da sich darunter auch LG befinden, die eigentlich nicht belegärztlich erbracht werden dürfen. Darüber hinaus gibt es „gemischte Leistungsgruppen“, die verschiedene Anforderungen in sich vereinen. 91% der Fälle verteilen sich auf nur 18 Leistungsgruppen, während nur 1% in Leistungsgruppen mit weniger als 1.000 Fällen bundesweit zu finden ist.

Im letzten Vortrag beleuchtete Martin Heumann, Geschäftsführer des Krankenhauszweckverbandes Rheinland e.V., die schwierige Situation der deutschen Krankenhäuser vor dem Hintergrund der Budgetverhandlungen nach dem KHVVG. Er nannte vier zentrale Gründe für die finanzielle Schieflage: Erstens fangen die Landesbasisfallwerte (LBFW) die steigenden Betriebskosten nicht mehr auf. Zweitens sind die Investitionskosten seit Jahren unzureichend, so dass 50 Prozent der Investitionen aus dem DRG-Budget „herausgeschwitzt“ werden müssen. Drittens führe der Fallzahlrückgang seit der Corona-Pandemie zu weiteren Erlöseinbußen und viertens gebe es einen deutlichen Rückstand bei den Budgetverhandlungen.

Heumann betonte, dass die Kostensteigerungen in den Jahren 2022 und 2023 von durchschnittlich 13% die Kliniken stark belasten, während die Erlössteigerungen mit 6,64% weit hinterherhinken. Diese Lücke von 6,4 % könne bei den anstehenden Verhandlungen zum Landesbasisfallwert nicht geschlossen werden und die Kliniken auf Jahre hinaus belasten. So verwundert es nicht, dass die Landkreise im Jahr 2024 bereits jetzt rund 3 Mrd. Euro zur finanziellen Unterstützung ihrer Kliniken aufgebracht haben. Eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat für das Jahr 2023 eine durchschnittliche bereinigte Umsatzrendite von -4% ermittelt.

Die „Lauterbachschen Bonbons“ des KHVVG, so Heumann, würden diese massive Unterfinanzierung leider nicht beheben. Einziger Lichtblick sei die Fallzahlsteigerung von 2,24% im ersten Halbjahr 2024. Dennoch müssen 25% der Kliniken einen Leistungsrückgang von mehr als 10% gegenüber 2019 verkraften, die durchschnittliche Absenkung der Bewertungsrelationen beträgt 4,43%.

Aktuell haben erst 54% der Kliniken ihre Budgetverhandlungen für 2023 abgeschlossen, für 2024 sind es nur 10%. Eine ganz besondere Herausforderung für die Kliniken ist, dass im Jahr 2025 die Forderungen für die Jahre 2023, 2024 und 2025 vorbereitet werden müssen, was immense personelle Kapazitäten bindet. Abschließend weist Herr Heumann darauf hin, dass zwar der aDRG-Grouper pünktlich erscheinen wird, der für den 30.09.2024 geplante Leistungsgruppen-Grouper jedoch nicht wie geplant zur Verfügung stehen wird.

Damit gingen zwei interessante Tage zu Ende, die vom Team um Hubert Connemann, Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe Hessen, hervorragend organisiert und von hochkarätigen Experten mit spannenden Themen gestaltet wurden. Vielen Dank dafür!

Michael Thieme

Quelle:

vkd-online.de


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