‚Deskilling‘ durch KI? Erfolgsquote bei Krebsvorsorge sinkt nach wenigen Monaten deutlich
Eine Studie aus Polen zeigt erstmals klinisch belegbar: Ärzte verlieren messbar an diagnostischer Treffsicherheit, wenn sie sich bei Darmspiegelungen durch KI unterstützen lassen. Die Erfolgsquote bei der Entdeckung von Adenomen sank nach wenigen Monaten um mehr als 20 Prozent. Die Forscher sprechen von „Deskilling“, einem gefährlichen Kompetenzverlust durch digitale Helfer.
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Der gezielte Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Koloskopie führt offenbar zu einem deutlichen Rückgang der diagnostischen Leistungsfähigkeit erfahrener Ärzte. Das belegt eine neue Studie aus Polen, die an vier Endoskopie-Zentren durchgeführt wurde. Dort sank die Erfolgsquote bei der Erkennung adenomatöser Polypen nach der Einführung KI-gestützter Systeme signifikant, um über 20 Prozent. Die Forschenden machen dafür einen Kompetenzverlust durch technologische Abhängigkeit verantwortlich, den sie als „Deskilling“ bezeichnen.
Besonders brisant: Der beobachtete Effekt trat bei routinierten Fachkräften auf. Bei weniger erfahrenen Kollegen könnte der Kompetenzabbau noch gravierender sein. Der begleitende Kommentar im Fachjournal The Lancet Gastroenterology and Hepatology unterstreicht den paradigmatischen Charakter dieser Ergebnisse. Es handle sich um den ersten klinischen Nachweis für einen realweltlichen Rückgang kognitiver Fähigkeiten infolge KI-Nutzung. Frühere Studien zur Leistungsfähigkeit von KI-Anwendungen in der Endoskopie könnten somit bereits systematisch verzerrt worden sein.
Fachleute fordern eine differenzierte Bewertung des KI-Einsatzes in der Medizin. Der technische Fortschritt dürfe nicht zulasten grundlegender ärztlicher Kompetenzen gehen. Die schleichende Abhängigkeit von automatisierten Assistenzsystemen könne mittelfristig zu erheblichen Qualitätsverlusten führen, mit direkten Folgen für die Patientensicherheit. KI müsse daher nicht nur medizinisch wirksam, sondern auch didaktisch verträglich implementiert werden.
heise.de