Politik muss auf dramatische finanzielle Situation der Krankenhäuser im Land reagieren
Gemeinsamer Appell von Landkreistag, Städtetag, Gemeindetag und BWKG an die Bundes- und Landespolitik: Systematische Benachteiligung der Kliniken sofort beenden…
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„Wir haben die schlankste Krankenhausstruktur Deutschlands – und trotzdem die höchste Defizitquote bundesweit. Die finanzielle Situation der baden-württembergischen Kliniken ist dramatisch“, betont Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzender der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Das Land gelte seit Jahren als Vorreiter in Sachen Krankenhausstruktur. Durch die bundesweit niedrigste Bettenzahl je 100.000 Einwohner sparen die Krankenkassen und das Land jedes Jahr viel Geld. Dennoch ist die wirtschaftliche Lage der Kliniken alarmierend: Denn den Krankenhäusern fehlen im Jahr 2025 noch einmal eine Milliarde Euro in ihren Wirtschaftsplänen. Zusammen mit den Defiziten aus den Jahren 2023 (670 Mio. Euro) und 2024 (900 Mio. Euro) ergibt sich damit ein Gesamtdefizit von über 2,5 Milliarden Euro in drei Jahren. Laut aktuellen Prognosen schreiben trotz der Bundeshilfen und der aufgestockten Investitionskostenfinanzierung des Landes zwischen 60 und 70 Prozent der Kliniken tiefrote Zahlen.
„Die Krankenhausversorgung in Baden-Württemberg droht aus dem Gleichgewicht zu geraten“, so Scheffold weiter. Denn die Verpflichtung des Bundesgesetzgebers, die Kliniken auskömmlich zu finanzieren, werde nicht mehr eingehalten. Das treffe alle Trägerarten, also private, freigemeinnützige und öffentliche Kliniken. Weil die Rücklagen aller Kliniken inzwischen aufgebraucht seien und insbesondere private und freigemeinnützige Träger nicht auf eine Notfinanzierung durch ihre Träger zurückgreifen können, ist auch die verfassungsrechtlich geschützte Trägervielfalt in Gefahr.
„Die Kommunen sind schlichtweg nicht mehr in der Lage, die horrenden Klinikdefizite zu schultern, zumal sie sich in der schlimmsten Finanzkrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs befinden“, unterstreicht Dr. Achim Brötel, Präsident des baden-württembergischen Landkreistags. Um die massiven Defizite ihrer Kliniken auszugleichen, sehen sich viele Kommunen deshalb gezwungen, an anderer Stelle harte Einschnitte vorzunehmen – etwa beim öffentlichen Nahverkehr, bei Schulen, Straßen, Kultur oder bei sozialen Angeboten. Bleibt eine bedarfsgerechte Versorgung durch andere Träger aus, können die Regierungspräsidien sowohl Landkreise als auch Stadtkreise zwar dazu verpflichten, die im Krankenhausplan vorgesehenen Einrichtungen selbst zu betreiben. Das werde auf Dauer aber sicher auch nicht funktionieren.
„Eine stabile Krankenhauslandschaft ist ein zentraler Pfeiler der Daseinsvorsorge im Land. Doch der Bundesgesetzgeber stiehlt sich zunehmend aus der Verantwortung und überlässt die Finanzierung immer mehr den Kommunen“, warnt Dr. Frank Mentrup, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg. Einschränkungen in der Versorgung der Bevölkerung sind unvermeidlich, wenn sich die finanzielle Lage weiter zuspitzt. Dazu zählen Insolvenzen, die Schließung von Stationen und die Einschränkung medizinischer Angebote.
„Über die Kreisumlage sind auch die Gemeinden direkt an der Finanzierung der Krankenhäuser beteiligt. Es bleibt immer weniger Geld zur Finanzierung anderer wichtiger kommunaler Aufgaben“, macht Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, deutlich. Wenn die effizienteste Klinikstruktur die höchsten Defizite aufweist, seien Änderungen am gesetzlich vorgegebenen Finanzierungssystem der Krankenhäuser zwingend erforderlich.
BWKG, Landkreistag, Städtetag und Gemeindetag sehen eine klare Benachteiligung der Kliniken im Südwesten durch die bundesgesetzlichen Regelungen zur Krankenhausfinanzierung. Sie appellieren an die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker in Bund und Land, sich gemeinsam dafür einzusetzen, diese Situation schnellstmöglich zu beenden.
Dringender gesetzlicher Handlungsbedarf besteht vor allem in drei Bereichen:
Berücksichtigung des hohen Lohn- und Preisniveaus bei der Vergütung
Baden-Württemberg ist ein Land, in dem überdurchschnittlich hohe Löhne und Preise bezahlt werden. Selbstverständlich werden die Sozialversicherungsbeiträge auf der Grundlage der überdurchschnittlichen Löhne von den Beschäftigten und den Arbeitgebern gezahlt. Das überdurchschnittliche Preis- und Lohnniveau und die entsprechend überdurchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge führen bei den Kliniken auch zu überdurchschnittlichen Kosten. Diese müssen endlich bei der Vergütung der Kliniken berücksichtigt werden.
Verlässliche Finanzierung der Infrastruktur bei Leistungsschwankungen
In der Vergangenheit wurden den Krankenhäusern bei Leistungssteigerungen nur die variablen Kosten erstattet. Dieser Effekt hat sich im Südwesten voll ausgewirkt, während er in vielen anderen Bundesländern durch Kappungsregelungen gemildert oder ganz ausgeschlossen wurde. Bei den Leistungsabsenkungen der letzten Jahre wurde dies jedoch nicht beachtet: Während Leistungssteigerungen zu einer Vergütungserhöhung von nur 2.400 Euro je Fall führten, werden den Kliniken bei Leistungsabsenkungen rund 4.400 Euro entzogen. Das untergräbt das wirtschaftliche Fundament der Kliniken.
Vergütungszuschlag für vorbildliche Strukturen
Die effizienteste Krankenhausstruktur in Deutschland muss auch entsprechend vergütet werden. Mit einem Krankenhausbett werden im Südwesten rechnerisch viel mehr Bewohner versorgt als in allen anderen Bundesländern. Dies muss vergütungserhöhend berücksichtigt werden.
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