‚Von der Bürokratiewelle überrollt‘ – NKG fordert schnellen Abbau der Belastung in den Krankenhäusern

Mit einer fünf Meter hohen symbolischen Welle hat die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) gestern in Hannover ein Zeichen gegen die zunehmende Bürokratie in den Krankenhäusern gesetzt…

29. August 2025
  • Politik

Die Aktion unter dem Motto „Von der Bürokratiewelle überrollt“ macht sichtbar, wie sehr Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte im Klinikalltag durch überbordende Dokumentationsverpflichtungen ausgebremst werden und welche negativen Folgen dies für die Patientenversorgung und die Arbeitsbedingungen hat. 

Die überdimensionale Welle bestehend aus Kartons, Aktenordnern, Formularen und Gesetzestexten steht sinnbildlich für die immer größer werdende Last an Dokumentations- und Berichtspflichten, die sich in den vergangenen Jahren im Gesundheitswesen angehäuft hat. Was ursprünglich der Qualitätssicherung dienen sollte, hat sich zu einem strukturellen Hindernis entwickelt. Immer mehr Zeit wird für Papierkram aufgewendet, immer weniger für den direkten Kontakt mit den Patientinnen und Patienten. Viele Kliniken befürchten sogar noch mehr Bürokratie durch die anstehende Krankenhausreform. Ohne Korrekturen am Gesetz würden allein in Niedersachsen für Dokumentationspflichten, Prüfungen des Medizinischen Dienstes und die Vorhaltefinanzierung im Zuge der Reform mehr als 500 Vollzeitkräfte zusätzlich nur für die Bürokratie arbeiten und somit in der Patientenversorgung fehlen. Schon heute verbringen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte in niedersächsischen Krankenhäusern durchschnittlich rund drei Stunden täglich mit Dokumentationsarbeiten. Wenn die bürokratische Arbeit um nur eine Stunde verringert würde, ständen rechnerisch mehr als 1.700 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 4.000 Vollkräfte im Pflegedienst zusätzlich zur Verfügung. 

Die NKG richtete vor diesem Hintergrund einen eindringlichen Appell an die Landes- und Bundespolitik. NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke unterstrich die Notwendigkeit eines radikalen Umdenkens: „Die bürokratischen Anforderungen wachsen kontinuierlich, während bestehende Pflichten kaum hinterfragt werden. Diese Entwicklung wirkt sich negativ auf die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern und die Versorgung aus. Wir brauchen eine klare Strategie zum Bürokratieabbau. Weniger Kontrolle um der Kontrolle willen und mehr Vertrauen in die Fachkompetenz des Personals in den Kliniken sind unerlässlich. Statt immer neuer Nachweispflichten bedarf es eines entschlossenen politischen Willens zum Bürokratieabbau. Es geht darum, unsere Ressourcen dorthin zu lenken, wo sie wirklich gebraucht werden: in die Patientenversorgung.“ 

Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi betonte: „Weder Patientinnen und Patienten noch dem Personal in den Krankenhäusern lässt sich in Zeiten des Fachkräftemangels logisch erklären, weshalb ein beträchtlicher Teil der Arbeitszeit aus vermeidbaren Verwaltungsaufgaben besteht. Deshalb haben wir uns als Niedersächsische Landesregierung bereits mehrfach gegenüber dem Bund für einen Bürokratieabbau stark gemacht. Denn um landesseitig entlastende Maßnahmen umzusetzen, braucht es zuvor eine Änderung der bundesweiten Regelungen. Ich freue mich über die konstruktive Zusammenarbeit mit der NKG und sichere allen Beteiligten zu, mich auf Bundesebene weiterhin für eine Entlastung bei den bürokratischen Tätigkeiten einzusetzen. Hierzu zählen etwa die Reduzierung von Dokumentationspflichten, die Vereinfachung von Antragsverfahren oder die Vermeidung von überflüssigen Parallelstrukturen.“ 

Aus der Praxis berichtete Dr. Alexander Poppinga, Vorstand Medizin, Evangelisches Krankenhaus Oldenburg: „Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte verbringen heute nahezu so viel Zeit am Schreibtisch wie am Bett der Patientinnen und Patienten oder im OP-Saal. Statt dem Fachkräftemangel mit strukturellen Veränderungen etwas entgegenzusetzen, sorgt die Bürokratie für zunehmenden Frust bei unseren Mitarbeitenden. Der Dokumentationszwang nimmt weiter zu, ohne dass er einen Mehrwert für die Patienten bietet. Die dabei verlorene Zeit geht zulasten der Patientenversorgung und gefährdet die Versorgungsqualität. Was wir dringend brauchen, ist mehr Augenmaß. Bürokratie darf nicht zum Bremsklotz für eine gute Krankenhausbehandlung werden.“ 

Im Rahmen der Aktion übergab NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke dem niedersächsischen Gesundheitsminister, Dr. Andreas Philippi, konkrete Vorschläge und Forderungen für einen schnellen und wirksamen Bürokratieabbau. Zu den zentralen Forderungen der NKG zählen eine vereinfachte Personalbemessung, deutlich schlankere Berichtspflichten sowie ein auf das Wesentliche reduziertes Prüfverfahren des Medizinischen Dienstes einschließlich der kritischen Überprüfung bestehender Dokumentationspflichten und des Abbaus redundanter Kontrollprozesse. Darüber hinaus spricht sich die NKG für die Abschaffung des Bundes-Klinikatlas und der damit verbundenen umfangreichen Datenlieferpflichten aus. Eine Qualitätssicherung, die sich auf den tatsächlichen Nutzwert konzentriert, sowie die schnellere Anerkennung internationaler Fachkräfte sollen zusätzlich zur spürbaren Entlastung der Kliniken und ihrer Mitarbeitenden beitragen.

Quelle:
nkgev.info